Was ist grüner Wasserstoff? – Der delegierte Rechtsakt der EU

Hintergrund

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben nach Artikel 25 Absatz 1 der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie 2018/2001 (Renewable Energy Directive 2018/2001, „RED II“) Kraftstoffanbieter zu verpflichten, einen Anteil von mindestens 14 Prozent an erneuerbaren Energien im Verkehrssektor zu erreichen. Die Anrechenbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien kann dabei direkt (E-Mobilität) oder auch indirekt über die Nutzung des Stroms für die Erzeugung von erneuerbaren Kraftstoffen (z.B. grünem Wasserstoff) erfolgen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine anteilige Anrechenbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen bei der Herstellung von Kraftstoffen geltend zu machen, das bedeutet es ist jener Stromanteil anrechenbar, der dem Anteil an erneuerbarer Energie der letzten zwei Jahre am Strommix im Mitgliedstaat entspricht (Art. 27 Abs. 3 UAbs. 4 RED II). Soll jedoch der gesamte verwendete Strom als erneuerbar angerechnet werden (vollständige Anrechenbarkeit), müssen die Wirtschaftsteilnehmer die Vorgaben in Art. 27 Abs 3. UAbs. 5 („Direktleitung“) und UAbs. 6 („Netzbezug“) der RED II erfüllen, welche mit einem delegierten Rechtsakt konkretisiert werden sollen.

 

Der Delegierte Rechtsakt für grünen Wasserstoff

Damit erneuerbarer Wasserstoff auf die nationalen und europäischen Zielsetzungen anrechenbar ist, definiert die EU-Kommission in einem delegierten Rechtsakt Kriterien, welche der für Wasserstoffproduktion eingesetzte Strom zu erfüllen hat. Der delegierte Rechtsakt soll sicherstellen, dass der zur Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff verwendete Strom auch aus erneuerbaren Energiequellen stammt, einschließlich Regeln für die zeitliche und geografische Korrelation zwischen der Stromerzeugungseinheit und der Kraftstoffherstellung und der Gewährleistung, dass der Kraftstoffhersteller zum Einsatz erneuerbarer Energien oder zur Finanzierung erneuerbarer Energie beiträgt (Zusätzlichkeit).

Nach einer öffentlichen Begutachtung im Sommer 2022 hat die EU-Kommission Mitte Februar 2023 den delegierten Rechtsakt beschlossen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Ermächtigungsgrundlage für diesen Rechtsakt noch die geltende Erneuerbaren-Richtlinie RED II darstellt (Artikel 27 „Berechnungsregeln in Hinblick auf Mindestanteile von erneuerbarer Energie im Verkehrssektor“). Daher gelten diese Kriterien nur für erneuerbaren Wasserstoff als Treibstoff bzw. RFNBO. Unter RFNBO versteht man „renewable fuels of non-biological origin“, was bedeutet, dass diese Kraftstoffe aus anderen erneuerbaren Energiequellen als Biomasse hergestellt werden müssen. Gasförmiger erneuerbarer Wasserstoff, der durch Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in einem Elektrolyseur erzeugt wird, gilt daher als RFNBO, erneuerbarer Wasserstoff, der aus Biomassequellen (z.B. Biogas) hergestellt wird, gilt nicht als RFNBO, sondern fällt gemäß der RED II unter die Definition von „Biomasse-Brennstoffen“. In der RED II sind RFNBOs nur im Verkehrssektor anrechenbar. Die RED III (Fit-for-55-Paket) sieht die Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff auch noch in anderen Bereichen vor. Der entsprechende Rechtsakt kann aber erst nach formaler Annahme der RED-III-Trilogeinigung durch Parlament und Rat erfolgen. Es ist aber anzunehmen, dass bei Annahme des vorliegenden Rechtsaktes ähnliche Regeln für RED III zu erwarten sind.

 

Wesentliche Inhalte des Delegierten Rechtsakts

Im Delegierten Rechtsakt (DA) werden Kriterien für den Strom festgelegt, welcher für die Produktion von RFNBO und somit erneuerbarem Wasserstoff als Treibstoff genutzt werden kann. Grundsätzlich gibt es neben der anteiligen Anrechenbarkeit über den Strommix 3 verschiedene Varianten für den grünen Strombezug und der vollständigen Anrechenbarkeit des erneuerbaren Stroms für die Herstellung von RFNBO.

 

 

 

Variante 1 – Direktleitung (Art. 3 DA):

Der erneuerbare Strom für die Wasserstoffproduktion wird über eine Direktleitung von einer Erneuerbaren-Anlage bezogen oder der Elektrolyseur und die Erneuerbaren-Anlage befinden sich am selben Ort. Es gibt also für die Wasserstoffproduktion keinen Strombezug aus den öffentlichen Netzen. In diesem Fall müssen die Voraussetzungen der Zusätzlichkeit erfüllt sein:

  • Die genutzte(n) erneuerbare(n) Stromerzeugungsanlage(n), darf (dürfen) maximal 36 Monate vor Inbetriebnahme des Elektrolyseurs installiert worden sein. Ausgenommen sind hier generell Stromerzeugungsanlagen, welche Strom aus Biomasse erzeugen.
  • Eine Erweiterung der Anlage zur Produktion des Kraftstoffes ist maximal innerhalb von 36 Monaten nach Erstinstallation möglich.
  • Die Erneuerbaren-Anlage ist nicht ans Netz angeschlossen oder kann über Smart-Meter-Systeme nachweisen, dass kein Strom aus dem Netz für die Produktion des RFNBO genutzt wird.

 

Variante 2 – Netzbezug (Art. 4 DA) mit PPA:

Der Strom für die Wasserstoffproduktion wird aus dem Netz bezogen. Der nachhaltige Charakter des Stroms wird durch den Abschluss eines Strombezugsvertrages (Power Purchase Agreement – PPA) mit einer Produktionsanlage für erneuerbaren Strom sichergestellt:

Außerdem muss die Erfüllung von drei zusätzlichen Kriterien (Zusätzlichkeit sowie zeitliche und geografische Korrelation) sichergestellt werden:

  • Zusätzlichkeit: Die Stromerzeugungsanlage(n), mit der (denen) PPAs abgeschlossen wurde(n), darf (dürfen) maximal 36 Monate vor Inbetriebnahme des Elektrolyseurs installiert worden sein. Generell ausgenommen sind Stromerzeugungsanlagen, welche Strom aus Biomasse erzeugen.
    • Eine Erweiterung der Anlage zur Produktion des Kraftstoffes ist innerhalb von 36 Monaten nach Erstinstallation möglich.
    • „Zusätzlichkeit Plus“: Die Stromerzeugungsanlage hat keine Förderung in Form von Betriebs- oder Investitionsbeihilfen erhalten (außer vor einem Repowering).
    • Für die Einhaltung des Zusätzlichkeits-Kriteriums gibt es eine Ausnahme/Übergangsfrist bis 2038, wenn der Elektrolyseur vor 2028 mit der Produktion begonnen hat.
  • Zeitliche Korrelation: Elektrolyseure dürfen erneuerbaren Strom nur zur gleichen Zeit verbrauchen, zu der dieser Strom erzeugt wird (bis Ende 2028 muss dies auf Monatsbasis erfolgen, ab 2029 auf Stundenbasis). Die zeitliche Korrelation gilt immer als erfüllt, wenn der RFNBO während eines Zeitraums von einer Stunde erzeugt wird, in dem der Clearingpreis für Strom, der sich aus der Kopplung der einzelnen Day-Ahead-Märkte in der Gebotszone ergibt, niedriger oder gleich 20 EUR/MWh oder niedriger als das 0,36 fache des Preises eines Zertifikats für die Emission einer Tonne CO2-äq während des betreffenden Zeitraums ist.
  • Geografische Korrelation: beide Anlagen befinden sich in der gleichen Stromgebotszone oder es herrschen gleiche bzw. höhere Strompreise in der Zone, in welcher der Stromerzeuger steht, als in jener, in der sich der Elektrolyseur befindet (Anmerkung: Österreich ist eine einzige Stromgebotszone).

Ausnahme bei einem Strombezug aus einem Netz mit geringen Emissionen:

Wenn der CO2-Ausstoß der Stromaufbringung in einem Mitgliedstaat unter 18 g CO2-äq/MJ (65g CO2-äq/kWh) liegt, müssen nur die Kriterien der zeitlichen und geografischen Korrelation erfüllt sein (aktuell gibt es nur Gebotszonen in Frankreich und Schweden, für die das zutrifft.)

 

Variante 3 – Netzbezug (Art. 4 DA) ohne PPA:

Der Strom wird aus dem Netz bezogen, ohne Abschluss eines PPA mit Produktionsanlagen von erneuerbarem Strom. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Hoher Erneuerbaren-Anteil im Netz: Wenn der durchschnittliche Erneuerbaren-Anteil im Stromnetz einer Gebotszone, in der sich der Elektrolyseur befindet, im Vorjahr 90% überstiegen hat, ist kein Abschluss eines PPA notwendig. Voraussetzung: Eine bestimmte Obergrenze an Produktionsstunden (abhängig vom Erneuerbaren-Anteil in der Gebotszone) der Produktionsanlagen/Elektrolyseur wird jährlich nicht überschritten. Diese maximale Stundenzahl wird berechnet, indem die Gesamtzahl der Stunden in jedem Kalenderjahr mit dem für die Gebotszone gemeldeten Anteil an Strom aus Erneuerbaren Energien multipliziert wird, in dem der RFNBO erzeugt wird.
  • Systemdienlichkeit: Der Elektrolyseur stützt das Netz, indem er für Ausgleichsmaßnahmen bei Differenz zwischen Erzeugung und Verbrauch im Netz sorgt. Das muss entsprechend nachgewiesen werden. Wird der aus dem Netz entnommene Strom, der zur Herstellung von RFNBO verwendet wird, während eines Bilanzkreisabrechnungszeitraums verbraucht, muss der Kraftstoffhersteller auf der Grundlage von Nachweisen des nationalen Übertragungsnetzbetreibers nachweisen können, dass:
    • (a) Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energieträger nutzen, gemäß Artikel 13 der Verordnung (EU) 2019/943 abgeregelt wurden,
    • (b) der Strom, der für die Herstellung RFNBO verbraucht wird, den Bedarf an Redispatch um einen entsprechenden Betrag reduziert