Die Wasserstoff-Farbenlehre

Beim Kauf von Wasserstoff ist es für Käufer nicht immer transparent, wie der Wasserstoff produziert wurde, obwohl dies von großer Bedeutung ist. Herkömmliche Produktionswege sind mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Unternehmen streben jedoch danach, grüne Produkte aus Wasserstoff herzustellen und entsprechend zu vermarkten, zum Beispiel grüner Stahl. Viele Unternehmen sind im EU-Emissionshandel aktiv und haben sich selbst ehrgeizige Energie- und Klimaziele gesetzt. Auch europäische Länder haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt, sowohl individuell als auch gemeinsam, wie kürzlich im Rahmen von RePowerEU. Um diese Ziele zu erreichen und Strafzahlungen zu vermeiden, müssen sie die Herkunft und Nachhaltigkeit des Wasserstoffs nachweisen können.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um zuverlässige Informationen über die Herkunft des Wasserstoffs bereitzustellen. Dies reicht von einfachen Bezeichnungen bis hin zu komplexen Systemen von Herkunftsnachweisen und Nachhaltigkeitszertifikaten, die in speziellen Datenbanken verwaltet werden.

Die „Farben“ von Wasserstoff bezeichnen die jeweiligen Herstellungspfade und haben sich ohne Vorschriften zur besseren Beschreibung etabliert. Obwohl Wasserstoff stets ein farbloses Gas ist, geben Farben in der Bezeichnung Auskunft über die Art der Gewinnung. Die folgende Tabelle stellt einen Überblick über die wichtigsten, derzeit gebräuchlichen Bezeichnungen für Wasserstoff dar:

 

Grauer Wasserstoff … wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt.
Brauner Wasserstoff ... wird durch die Vergasung fossiler Braunkohle erzeugt
Schwarzer Wasserstoff ... wird aus fossilier Steinkohle erzeugt
Blauer Wasserstoff … ist grauer/brauner/schwarzer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird (Carbon Capture and Storage).
Türkiser Wasserstoff … ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff.
Grüner Wasserstoff … wird rein aus erneuerbaren Energien gewonnen. Dazu zählt die Elektrolyse von Wasser, wobei der Strom für die Elektrolyse ausschließlich aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Auch die Produktion von Wasserstoff aus fester Biomasse (Vergasung) und Biogas zählt zu den Herstellungsverfahren von grünem Wasserstoff.

 

Tabelle 1: Die Wasserstoff „Farbenlehre“

 

Zusätzlich gibt es weitere Varianten, die berücksichtigt werden sollten. Unter dem Begriff „pinkem Wasserstoff“ wird Wasserstoff verstanden, der durch Elektrolyse mithilfe von Strom aus Kernkraftwerken erzeugt wird. Diese Art von Wasserstoff wird manchmal auch als „gelber“ oder „violetter“ Wasserstoff bezeichnet.

Mehr zu den verschiedenen Erzeugungstechnologien von Wasserstoff finden Sie hier.

 

Die Wasserstoff-Farben sind nicht alles …

Es sind auch weitere Aspekte von Bedeutung. Eine umfassende Klassifizierung von Wasserstoff sollte jedoch noch weitere Fragen beantworten können:

  • Wie wird der Strom produziert, der im Herstellungsprozess (z.B. Elektrolyse) verwendet wird?
  • Welche Ausgangsstoffe werden verwendet und woher stammt das Wasserstoffmolekül?
  • Wie hoch sind die gesamten Treibhausgasemissionen, gemessen in CO2-Äquivalenten (CO2-äq), über den gesamten Lebenszyklus betrachtet? Bei der Abscheidung von CO2 beim sogenannten „blauen Wasserstoff“ spielt beispielsweise der Anteil der Abscheidung eine Rolle, wobei dieser oft nicht eindeutig definiert ist. Zudem muss das CO2 langfristig daran gehindert werden, wieder klimawirksam zu werden, entweder durch Speicherung oder Wiederverwendung.
  • Nachhaltigkeitsaspekte wie beispielsweise der Wasserverbrauch.

Unterschiedliche Herkunftsnachweise, Zertifikate, Siegel usw. zielen oft nur auf einen Teil dieser Fragen ab. Die Herkunftsnachweise nach der Richtlinie über Erneuerbare Energien (RED II) im Bereich Strom sollen beispielsweise dem Kunden signalisieren, woher der verkaufte Strom stammt. Diese sogenannten „GoO“ (Guarantees of origin) allein können jedoch nicht zur Erfüllung der EU-Ziele verwendet werden. Hierfür sind weitere Nachhaltigkeitszertifikate erforderlich, und es bedarf einer umfassenden Verwaltung dieser Nachweise, von der Ausstellung bis zur Löschung.

 

Regelungen der EU

Eine bedeutende Klassifizierung betrifft RFNBO (erneuerbare flüssige und gasförmige Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs). Die Details dazu wurden von der Europäischen Kommission in zwei sogenannten Delegierten Rechtsakten festgelegt, welche zum heutigen Stand (Juni 2023) noch nicht in Kraft getreten sind, jedoch kurz vor der Veröffentlichung stehen. Der erste dieser Rechtsakte wurde gemäß Artikel 27 der RED II („Berechnungsregeln für den Mindestanteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor“) erlassen. In diesem Rechtsakt werden detaillierte Bedingungen festgelegt, unter denen die für die Herstellung von RFNBO verwendete Elektrizität als vollständig erneuerbar anerkannt wird.

Der Rechtsakt legt auch klar fest, welche Anforderungen hinsichtlich der zeitlichen und geografischen Korrelation zwischen der Stromerzeugungseinheit und der Kraftstoffherstellung gelten. Zudem wird definiert, unter welchen Umständen Netzstrom als erneuerbar für die Produktion gilt. Das Kriterium der Zusätzlichkeit wurde von der Europäischen Kommission so festgelegt, dass zunächst Strom aus bestehenden erneuerbaren Energiequellen vorrangig für direkte Anwendungen genutzt werden soll und nur zusätzliche installierte Kapazitäten für die Erzeugung von RFNBO verwendet werden dürfen. Darüber hinaus fordert die RED II, dass keine Subventionen für die stromproduzierenden Anlagen gewährt wurden, um die Zusätzlichkeit sicherzustellen.

Mehr zum Delegierten Rechtsakt der EU zum grünen Wasserstoff finden Sie hier.

Um all dies beurteilen zu können, müssen die Nachweise zusätzliche Informationen enthalten: Wo befindet sich die Produktionsanlage, wann wurde sie errichtet, erhielt sie staatliche Förderungen und wann wurde der Strom produziert?

Gemäß RED II sind RFNBO derzeit nur im Verkehrssektor anrechenbar. Mit dem Inkrafttreten der RED III im Laufe des Jahres 2023 wird sich dies jedoch auch auf den Einsatz in anderen Bereichen, insbesondere in der Industrie, ausweiten. Ein weiteres wichtiges Kriterium wurde in einem zweiten Delegierten Rechtsakt umfassend geregelt, der sich auf Artikel 28 der RED II bezieht: Damit Wasserstoff als RFNBO klassifiziert werden kann, dürfen über den gesamten Lebenszyklus hinweg bei der Herstellung von einem Kilogramm Wasserstoff maximal 3 kg CO2-Äquivalente (CO2-äq) Treibhausgasemissionen freigesetzt werden. Dies stellt eine Verbesserung um 70 % im Vergleich zur Dampfreformation von Methan dar, dem herkömmlichen Verfahren zur Herstellung von grauem Wasserstoff.

Um den Definitionen von Wasserstoff als RFNBO anhand der Regelungen der RED II Rechnung zu tragen, kann man grünen Wasserstoff folgendermaßen weiter kategorisieren:

 

Tabelle 2: Klassifizierung von grünem Wasserstoff

 

RFNBO können grundsätzlich auch für die Derivate von Wasserstoff, wie beispielsweise Ammoniak, angewendet werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Energie aus Biomasse hier explizit ausgeschlossen ist. Die Verwendung von Biomasse fällt gemäß der RED II in die Kategorie der „Biomasse-Brennstoffe“. Wasserstoff aus Biomasse (Biohydrogen) wird daher gerne auch als „oranger“ Wasserstoff bezeichnet, obwohl er, gemäß der Erzeugung aus erneuerbaren Quellen, dem „grünen“ Wasserstoff zugeordnet werden kann.

Mehr zum Thema Biohydrogyen (Wasserstoff aus Biomasse) finden Sie hier.

Weiters finden sich in den Rechtsmaterien der EU auch noch andere Bezeichnungen für Wasserstoff, wie beispielsweise den „Kohlenstoffarmen“ Wasserstoff nach dem EU Gaspaket. Für den „kohlenstoffarmen Wasserstoff“ spielt die Herkunft der Energie oder Moleküle keine Rolle (einschließlich der Verwendung von Kernenergie). Das entscheidende Kriterium ist jedoch die verbindliche Einsparung von mindestens 70 % im Vergleich zur fossilen Herstellungsmethode. Daher fallen auch blauer oder türkiser Wasserstoff darunter, sofern hohe Abscheideraten gewährleistet sind.

Neben den von der Europäischen Kommission anerkannten Standards wird es auch weitere freiwillige oder marktbasierte Standards geben. Allerdings können diese nicht auf EU-Ziele angerechnet werden.

Die österreichische Wasserstoffstrategie verwendet den Begriff „erneuerbarer Wasserstoff“, der nicht auf RFNBOs basiert und auch Biomasse als Quelle zulässt. Zusätzlich wird der Begriff „klimaneutraler Wasserstoff“ verwendet, bei dem jedoch Nuklearstrom explizit ausgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang wird von einer „vollständigen CO2-Abscheidung“ gesprochen, was höchste technologische Anforderungen mit sich bringt.

Mehr zur österreichischen Wasserstoffstrategie kann hier nachgelesen werden.